Stephan Puchner


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Die Geburt der Kartographie

Der Roman spielt zu der Zeit, als Heinrich der Seefahrer für Portugal seine Schiffe aussandte, um Afrika zu umfahren und die fernen Gewürzinseln Indiens zu erreichen. Ihm gelang, seinen Erzschenk Gil Eanes das Kap Bojador, den südlichsten Ort, den Ort ohne Wiederkehr umschiffen zu lassen. Es war die Zeit der Geburt der Globalisierung, in der – wie heute  – die Vorstellung dessen, was man für die wirkliche Welt als Gesamtes hielt, sich vorwiegend durch indirekte Repräsentationen wie Karten und Erzählungen, durch für wahr Genommenes bildete und nur zu einem geringen Bruchteil durch eigenes Erleben und Sehen.

Es war die Zeit des Umbruchs vom Mittelalter zur Renaissance und einer Revolutionierung der Kunst der Kartographie.

In Europa existierten bis Mitte des 15. Jahrhunderts noch große, den runden Erdkreis zeigende Radkarten, genannt Imago Mundi, mit Szenen aus der Bibel und Geschichten über wundersame Tiere und Völker, die an den Rändern der Welt lebten. Das Imago Mundi hatte wenig geographische Bedeutung, sondern diente vornehmlich dem Zweck der Weltschau und des Lobpreises der Schöpfung.

Die Navigation in den Ländern des Nordens und in weiten Teilen Europas fand noch mittels mündlich überlieferten Wissens oder Reisebeschreibungen, sogenannten Itinerarien, statt, die von einem bestimmten Hafen aus die Windrichtungen und Wege beschrieben.

Im Jahre 1406 aber wurde zu Florenz von Jacopo d’Angelo erstmals die seit vielen Jahrhunderten vergessene und über Konstantinopel nach Europa gekommene Geographia universalis des Claudios Ptolemaios aus dem Griechischen ins Lateinische übersetzt, die eine gänzliche neuartige Kunst der Kartographie beschrieb:  Die Geographia universalis gab durch nichts als zwei Zahlen, durch Länge und Breite, die unveränderliche Lage von mehr als achttausend Orten an. Aus diesen Zahlenreihen ließ der französische Kardinal Fillastre zahlreiche Karten von den verschiedenen Erdteilen verfertigen, welche die Welt in ungekannter Genauigkeit zeigten und die sich rasch über ganz Europa verbreiteten. Für mehr als zweihundert Jahre bestimmte die Geographia das kartographische Wissen Europas und legte mit dem Heraufdämmern der Renaissance den Grundstein für die moderne, wissenschaftliche Kartographie. In dieser Zeit wurde die Radkarte, das Imago Mundi, das die Wunder der Welt lobpries, und prächtige Ungeheuer und phantastische Wesen zeigte, von jener neuen Kartenkunst verdrängt. Die Wunder wurden getilgt, die Orte des Erdkreises mit ihren Geschichten verkamen zur Zahl, die Welt wurde entzaubert, festgeschrieben, umschnürt mit einem Netz aus Latituden und Meridianen. Die Karte wurde zum Beiwerk endloser Zahlenkolonnen.

Empfohlene Links:
Ein Beispiel für eine prächtiges "Imago Mundi": Die Ebstorfer Weltkarte des Gervasius von Tilbury hat einen Durchmesser von 3,57m und wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts gezeichnet. An den Rändern der Welt findet man zahlreiche Monster und seltsamen Kreaturen.
Auf einer Homepage der Universität Lüneburg findet man jeweils deutsche Übersetzungen der Ortsbeschreibungen und Wunder der Erde, wenn man den Cursor über die lateinischen Texte bewegt!
Eine ptolemäische Weltkarte am Beispiel eines venezianischen Holzdruckes von 1511 auf einer sehr empfehlenswerten Seite über Kartographie auf der Homepage der Bell Library.
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